Hermann M. Weil

Geboren wurde ich 1946 in München- Schwabing, als einziger Sohn meiner Eltern, aufgewachsen im turbulenten Flair eines Geschäftshaushaltes der Nachkriegszeit.

Ich hatte wundervolle, liebevolle Eltern und Großeltern; sie waren immer für mich da, hatten unendliches Verständnis, Großzügigkeit, Toleranz und ein weiter Horizont zeichneten sie aus.

Gerne lauschte ich den abendlichen Gesprächen innerhalb unserer Familie. Immer gab es Erzählungen von Abenteuern und von besonderen Menschen. Da war die Rede von Max aus der Familie meiner Großmutter, der zu Fuß von hier nach China ging, eine Unmenge Sprachen lernte, Professor an der Universität in Peking wurde und Teekarawanen durch die Wüste Gobi begleitete. Wie er von Räubern gefangen und getötet wurde und daß in Peking ein Denkmal für ihn steht. Die Geschichte von einem meiner Großonkel, der nach Odessa auswanderte und Silberschmuck nach Deutschland brachte. Oder von dessen Bruder, der sein Glück auf den riesigen Rinderfarmen Argentiniens fand, mir von den Indianern eine Pfeilspitze und eine Pferdedecke mitbrachte.

Die Geschichte meines Großvaters, der erfolgreich Teil eines Aufstandes gegen die Franzosen war und nachts in einem Boot ohne Ruder über den Rhein flüchten musste.

Von dem Münchner Kraftmenschen, der einen geschlachteten Ochsen mit dem Rücken aufhob aber im Tegernsee bei einer Bootsfahrt im Sturm ertrank, weil er seinen schweren, mit Silbermünzen behangenen Gürtel nicht ablegen wollte. Und vom Straßberger, dem stärksten Mann der Welt, der im Schutt seines zerbombten Hauses vergeblich nach seiner  Goldmedaille suchte, die er einst in San Francisco gewonnen hatte.

Und das alles, all diese Geschichten nahm ich in mir auf, bewahrte sie und nahm mir vor, sie eines Tages aufzuschreiben, wenn ich einmal erwachsen sein würde.

Die Zeit verging langsam. Ich kämpfte mich durch die Schulen und machte eine Banklehre, was zu dieser Zeit zwar als etwas Besonderes galt, aber gleich nach dem Abschluß ging ich nach England auf eine Sprach-Akademie, um dem Alltagstrott und den Pflichten geregelter Arbeit zu entkommen. Dem folgten Aufenthalte in Südfrankreich und in Spanien und schließlich schloss ich das Studium der Wirtschaftswissenschaften in München ab.

Mitarbeit bei der Organisation von Musicals und Reiseleiter in Russland waren Zwischenstationen, dann zog es mich weiter. Ich studierte Medizin und machte die Ausbildung zum Heilpraktiker. Die eröffnete Praxis für Naturheilkunde in München war ziemlich erfolgreich, aber nach einigen Jahren brach ich zu neuen Horizonten auf und gründete ein Unternehmen für organisierte Motorrad-Reisen. Meine Praxis habe ich an die Frau meines ersten Kunden verkauft, bin BMW-Partner geworden, verfügte über eine riesige Flotte von Motorrädern und habe Motorrad-Reisen in allen fünf Kontinenten der Welt veranstaltet. China, Afrika, Amerika, Südamerika, Patagonien und die Karibik kamen unter meine Räder.

Mittlerweile hatte ich geheiratet und mit meiner Frau und unseren vier Söhnen eine Heimat auf einem Gutshof in Oberbayern gefunden. Ich wurde Landwirt und Schafzüchter, bewirtschaftete einen großen Bio-Hof und tauchte ein in die Welt des Bäuerlichen.

Mein alter Lehrer, Schriftsteller und Dichter, der mittlerweile zum Freund geworden war, ermunterte mich eines Tages, meine Erinnerungen aufzuschreiben. „Er habe das auch getan“ sagte er und liess mich seine Memoiren lesen. Von ihm angesteckt und unterstützt fand ich wieder Freude und Geschmack am Schreiben. So begann ich und es entstanden auf diese Weise meine zu Papier gebrachten Gedanken, Erinnerungen und Erzählungen.

Heute lebe ich auf meinem Bauernhof der bereits an meine Kinder übergeben ist, das Reiseunternehmen ist längst verkauft und ich freue mich, Zeit zu haben zum Denken, Lesen und Schreiben. Gerne sitze ich mit meinem Hund im Freien an einem alten Tisch, blicke in die nahen Berge und lasse manche Gedanken in den Laptop fliessen. Manchmal aber, da fliehe ich in meine Hütte in den steirischen Bergen, geniesse die Einsamkeit und mache nichts anderes als nachzudenken …